Herr Brenner, kann man nach hundert Tagen schon ein Zwischenfazit ziehen?
Die ersten 100 Tage sind zwar rasend schnell vergangen, aber ich konnte mir schon einen Überblick verschaffen. So ist das Zwischenfazit überaus positiv. Die Ausgangsposition fürs Flugfeld kann sich wahrlich sehen lassen. Dies bestätigen mir unter anderem die vielen Gespräche, die ich mit allen Beteiligten geführt habe. Auf dieses Fundament lässt sich aufbauen. Mit dem Areal Flugfeld verfügen wir über ein einzigartiges Produkt. Da überzeugen die Hardfacts - und auch die weichen Faktoren.
Bei der Aufsiedelung gilt: Qualität vor Schnelligkeit. Trotzdem sollte es möglich sein, weitere sichtbare Fortschritte auf dem Flugfeld zu erzielen.
Sie sprechen von Soft- und Hardfacts. Was hat der Standort Flugfeld, was andere nicht haben?
Das Flugfeld ist nach Stuttgart 21 die größte zusammenhängende Fläche in der Region und wahrscheinlich weit darüber hinaus. Diese Dimension ist im Ballungsraum Stuttgart absolut einzigartig. Inmitten einer wirtschaftsstarken Region bieten wir einen Standort mit einer hohen Sichtbarkeit, mit hoher Zukunftsfähigkeit und mit glänzendem Renommee. Zudem verfügen wir über den Anschluss an die A 81. In einigen Jahren werden wir sogar die Autobahn-Anschlussstelle direkt mit der Flugfeld-Allee verbinden. Auch die ÖPNV-Anbindung wird immer wichtiger. Am Hauptbahnhof Böblingen halten nicht nur S1 und S60 sondern auch viele Fernzüge.
Sind damit die Gründe genannt, die die Unternehmen bewegen, aufs Flugfeld zu kommen?
Unsere guten Standortfaktoren sind das Fundament, auf dem eine positive Entscheidung wächst. Doch die Gründe für eine Ansiedlung haben immer mit dem Unternehmen selbst zu tun. Nehmen Sie zum Beispiel die "Corporates", damit meine ich mittelständische bis große Unternehmen, die für sich selbst eigene Flächen suchen oder weiter expandieren möchten. Hier kann das Flugfeld Wünsche erfüllen, die am alten Standort mangels Fläche oder aus anderen Gründen nicht realisierbar sind. Ein anderes Beispiel sind Unternehmen, die noch nicht in unserer Region tätig sind. Sie wollen von der starken Wirtschaftskraft des Landkreises Böblingen und der hervorragenden Struktur der Region profitieren. Das sind nicht wenige Unternehmen in einer Region, die dicht bebaut ist - in der Grundstücksflächen knapp und rar sind. Hier sehe ich das Flugfeld im Vorteil. Stuttgart kann das nicht. Dort hat es kaum mehr Flächen und schon gar nicht in dieser Größe.
Wie wollen Sie diese Unternehmen erreichen?
Da hilft mir meine langjährige Tätigkeit in der gewerblichen Immobilienwirtschaft. Dadurch bin ich bestens vernetzt. Diese Beziehungen, teils über viele Jahre gewachsen, begreife ich als ein wertvolles Kapital. Natürlich werde ich sie verstärkt nutzen, um an die Kunden zu gelangen, die letztendlich viele Millionen auf dem Flugfeld investieren.
Wie bewerten Sie die bisher erfolgten Ansiedlungen?
Überaus positiv! Meilenwerk und Sensapolis sind klingende Namen, die sich überregionaler Bekanntheit erfreuen. Sie wirken wie Magneten für unser Gelände. Aber wir haben viele weitere Aushängeschilder: das Technologie-Kompetenz-Zentrum FORUM1, das medicum, Hydrobar, das PLANA-Küchenland, um nur einige zu nennen. Gerade erst haben wir einen neuen, großen Namen auf die Liste setzen können: MBtech. Allein durch diese Ansiedlung werden über 1.200 Arbeitsplätze auf dem Flugfeld hinzukommen.
Ist das der Durchbruch, auf den das Flugfeld lange gewartet hat?
Möglicherweise ist er das. Tatsächlich spüren wir in den Tagen seit der Bekanntgabe schon eine gewisse Sogwirkung, die dazu beitragen kann, weitere Unternehmen aufs Flugfeld zu bewegen.
Im Gewerbebereich entstand der Eindruck, dass das Flugfeld einige Zeit auf der Stelle trat. Wie fällt Ihre Analyse aus?
Der Eindruck ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. In der Tat wurde in dieser Zeit hinter den Kulissen hart gearbeitet. Die langsame Entwicklung des gewerblichen Bereiches hat jedoch mehrere Ursachen. Zum einen war sie konjunkturell bedingt - durch die Finanzmarktkrise, die 2008 begonnen hatte. Da waren viele Unternehmen sehr zurückhaltend mit großen Investitionen. Zum anderen sind sich beide Städte der Einmaligkeit des Flugfeldes bewusst. Anders ausgedrückt: Auf dem Flugfeld geht Qualität vor Schnelligkeit. Und das ist auch gut so. Trotz alledem sollten wir auch kritisch auf uns selbst schauen. Aus meiner Sicht fehlte bei der gewerblichen Aufsiedlung bisher ein roter Faden. Eine solche Strategie halte ich persönlich für unabdingbar.
Liegt dort - im gewerblichen Bereich - auch der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit?
Zweifellos ist das so. Die wohnwirtschaftliche Aufsiedlung kann sich nach meiner Einschätzung sehr gut sehen lassen, vor allem in der Parkstadt Ost. Da haben wir nur noch wenige Grundstücke, die zu vermarkten sind. Wir konzentrieren uns vor allem auf das Gewerbe.
Wie gehen Sie vor?
Die ersten Schritte konnte ich mit meinem Team in meinen ersten 100 Tagen bereits gehen. Ich habe sortiert und bewertet. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung weiß ich, dass man bei der gewerblichen Aufsiedlung strategisch vorgehen muss. Welche Kunden möchte ich überhaupt ansprechen? Für welche Branche erfüllt unser Standort die Voraussetzungen? Für welche Kunden können Rahmenplan, Flächenzuschnitt und Grundstückspreis passen? Diese Fragen müssen wir gemeinsam beantworten - natürlich mit dem Blick auf das vorhandene Potenzial der jeweiligen Branche. Daraus entsteht ein klares Zielbild, aus dem detailliert hervorgeht, wie wir uns darstellen wollen.
Können Sie schon konkret sagen, welche Branche Sie im Auge haben?
Im Moment haben wir sieben Cluster definiert: Medizintechnik, Umwelttechnik, Regel- und Meßtechnik, E-Mobilität, Luft- und Raumfahrt, Materialwesen/Leichtbau sowie Aus- und Weiterbildung. Sobald wir die Potenziale über diese sieben Cluster erhoben haben, werden wir genau prüfen, auf welche zwei bis drei Branchen wir verdichten werden. Dann können wir mit einer Vermarktungsstrategie direkt auf die Unternehmen zugehen und gezielt werben. Damit haben wir den roten Faden in der Hand, der mir bisher auf dem Flugfeld gefehlt hatte: eine klare Strategie bei der gewerblichen Ansiedelung.
Neben der Marktstrategie wird auch die Preisstrategie wichtig sein.
Sehr richtig. In diesem Punkt sollten wir flexibel sein. Die See-Promenade beispielsweise ist eine außerordentlich gute Lage. Ich bin davon überzeugt, dass wir dort beim Grundstückspreis noch Potenzial nach oben besitzen. Andererseits müssen wir an der einen oder anderen Stelle - etwa entlang des Autobahnwalles - auch darüber nachdenken, preislich dem Markt entgegen zu kommen. Unsere Zielsetzung ist in diesem Punkt eindeutig: Wir wollen innovative und hochtechnologische Firmen ansiedeln, die erfolgreich wirtschaften. Beide Städte sind an qualifizierten Arbeitsplätzen interessiert. Schließlich darf man aus Sicht der Städte nicht verschweigen, dass man den Grundstückspreis nur einmal erzielt, während man von den Gewerbesteuereinnahmen dauerhaft profitiert.
Wie gestalten Sie die Seepromenade, vielleicht eines der Immobilien-Filetstücke der gesamten Region?
Aktuell überlegen wir, einen Wettbewerb auszuschreiben. Dieses ganz besondere Stück Flugfeld hat eine perfekte Kombination aus renommiertem Gewerbe und hochwertigem Wohnen verdient. Da kommt es auch auf die Nachhaltigkeit an, mit der die Interessenten dieses realisieren wollen. Wenn alles gut geht, wollen wir in diesem Jahr noch die Ausschreibung öffentlich machen.
Welche weiteren Grundstücke sind im Moment im Blickpunkt?
Als sehr interessant schätze ich die Böblinger Seite des Meilenwerkes ein. Hier liegt das Quartier 27 direkt an der Konrad-Zuse-Straße und direkt am Bahnhof Böblingen mit guter Verbindung zur Autobahn. Ein gut geeigneter Standort für "Headquarter". Wir werden diese Standortvorteile nutzen, um einen repräsentativen Bürostandort zu entwickeln. Das prosperierende FORUM1, das ja in unmittelbarer Nachbarschaft liegt, gibt uns zusätzlich Rückenwind. Außerdem profitieren wir durchaus vom Renommee des Meilenwerks.
Was raten Sie einem mittelständischen Unternehmer, der sich fürs Flugfeld interessiert?
Komm aufs Flugfeld, würde ich ihm sagen. Für ihn könnte das Baufeld 45 am Wall eine gute Wahl sein. Wir haben es als Mittelstandsquartier ausgewiesen - und das wollen wir auch so beibehalten. Es sind zwar noch zahlreiche Flächen frei, aber wir notieren auch dort eine verstärkte Nachfrage. Mit Blick auf die Eurokrise denken immer mehr Unternehmer darüber nach, Ihre Euros in den eigenen Firmenstandort zu investieren.
Die Herkules-Aufgabe Flugfeld stemmen Sie nicht alleine. Sie wissen ein gesamtes Team auf der Geschäftsstelle hinter sich. Ist die nicht ein wenig schlank besetzt im Moment?
Sie ist vor allem fachlich exzellent besetzt. Das gesamte Team hat in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet. Aber es hat auch Wechsel gegeben. Hier streben wir wieder nach Konstanz, wollen jedoch zugleich Verbesserungen erzielen. Dass Handlungsbedarf besteht, ist mir bei der Prüfung der Kapazitäten schnell klar geworden. Nach meinem Dafürhalten sind wir im kaufmännischen Bereich aber auch im Marketing noch ausbaufähig. Darüber hinaus benötigen wir eine "Clusterstelle". Deshalb haben wir bereits einen Stellenplan erstellt. Der Bedarf ist angemeldet.
Eine letzte Frage: Worauf freuen Sie sich in diesem Sommer auf dem Flugfeld?
Ganz klar: Darauf, dass wir endlich selbst aufs Flugfeld kommen. Schließlich wird es höchste Zeit, dass auch die Geschäftsstelle des Zweckverbandes auf das Gelände zieht. Wer Flugfeld verkauft, muss auf dem Flugfeld sitzen. In einigen Wochen ist dieser Zustand jedoch Geschichte. Dann ist die Geschäftsstelle dort, wo sie hingehört. Darauf freuen wir uns alle.